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spezielle Relativitätstheorie
Ein scheinbares Paradoxon zur Längenkontraktion begegnet dem
Relativitätsinteressierten zum Beispiel beim
Stab-Scheune-Gedankenexperiment.
In der Literatur findet man es in verschiedenen Versionen (ein Auto in
einer Garage, ein Zug in einem
Tunnel...), das Grundproblem, welches hinter allen Varianten steckt,
ist
jedoch das gleiche. In unserem Fall sieht es wie folgt aus: Ein Stab
bewegt sich mit gleichförmiger Geschwindigkeit in eine Scheune.
In Ruhe haben
der Stab und die
Scheune die gleiche Länge, QP = FR (s. Abb.).
Man nimmt an, der sehr athletische Läufer trägt den Stab mit
hinreichend großer Geschwindigkeit gleichförmig durch die
Scheune.
Es stellt sich nun die Frage:
Passt
der Stab in das Gebäude?
Gemäß der Längen- oder Lorentzkontraktion ist, von
einem ruhenden Bezugssystem aus gesehen, ein bewegter Körper
verkürzt.
Das bedeutet:
1) Aus der Sicht der Scheune
besitzt der Stab eine Geschwindigkeit
v und
ist deshalb verkürzt, er passt also in
die Scheune.
Welcher Fall tritt ein, bzw. welche
Beschreibung ist richtig?
Zur Klärung des
Problems ist ein Raum-Zeit-Diagramm
hilfreich. (Siehe die Erläuterung von Minkowski-Diagrammen im
Abschnitt
Die
Lorentz-Transformation). Hier stellt
das Koordinatensystem
x,ct das Bezugssystem der Scheune dar und das Koordinatensystem x',ct'
das des Stabes.
Die Geraden F und R
sind die Weltlinien des Vorderendes
(Eingangstür) und des Hinterendes (Ausgangstür) der Scheune,
die Geraden P und Q die Weltlinien des Vorderendes und Hinterendes des
Stabs. Es gibt 4 Schnittpunkte der Geraden, die das Passieren des Stabs
durch das Gebäude kennzeichnen.
Betrachten wir
zunächst die Scheune als ruhend und den Stab als bewegt, sprich
wir begeben uns in das x,ct-System. Da die Zeitachse die Ordinate ist,
tritt das Ereignis PF (das Eindringen des Stabs in die Scheune) als
erstes auf.
Gleichzeitige Ereignisse liegen immer auf Parallelen zur Abszisse, es
folgt also der Punkt QF (das Ende des Stabs passiert die
Vordertür) und erst dann PR, also der Durchgang der
Stabvorderseite durch die
Ausgangstür. (QR beschreibt dementsprechend das Ereignis "das
Stabende verlässt die Hintertür").
Der Stab hat also komplett in die Scheune
gepasst.
Nun betrachten wir die Situation aus der Sicht des Stabs, also aus
dem x',ct'-System. PF geschieht auch hier wieder als erstes. Mit Hilfe
einer
Parallelen zur x'-Achse (die gestrichelte blaue Linie) wird jedoch
deutlich,
dass das Austreten des Stabendes P aus der Tür R
vor
dem Eintreten des Stabendes Q in die Tür F liegt. Das
heißt,
das vordere Stabende verlässt die Scheune (PR) und erst dann
passiert das Ende des Stabes die Eingangstür (QF),
der Stab
war demnach nie vollständig in der Scheune.
Es mag paradox klingen, dennoch sind
beide Darstellungen richtig.
Es
handelt sich um ein Problem der Gleichzeitigkeit, somit ist die
Interpretation vom Bezugssystem abhängig.
Man kann sich auch vorstellen, das Ein- und Austreten des Stabs
sei mit dem Öffnen und Schließen der entsprechenden
Türen der Scheune verbunden. Können also beide Türen
geschlossen sein, wenn der Stab in der Scheune ist, oder nicht?
Das linke Bild zeigt, wie der Vorgang aus der Sicht der Scheune
abläuft. Ganz offensichtlich sind die Türen F und R zum
Zeitpunkt
(c) beide
gleichzeitig zu.
Das rechte Bild zeigt die Sicht des Läufers. Da hier das Ende P
des
Stabs die Scheune verlässt, bevor das Ende Q eintritt, muss die
Tür R
bereits aufgehen, bevor die Tür F zugeht. Die beiden
Türen sind
niemals
gleichzeitig zu.
Aber das ist überhaupt kein Problem! Wir wissen, dass
Gleichzeitigkeit
nicht am selben Ort stattfindender Ereignisse nicht absolut ist.
Es besteht also kein Grund anzunehmen, dass Scheune und Läufer die
Frage, ob die Türen je gleichzeitig zu sind, in gleicher Weise
beurteilen müssen. Die rote Gleichzeitigkeit ist nicht
dieselbe
wie die braune...
Diese Seite wurde von
Sophie
Seidenbecher während eines
Schülerpraktikums erstellt.