2. Elektrodynamik


Klaus Kassner

 
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 So weit, so gut. Anfang dieses Jahrhunderts allerdings glaubten die Physiker, eine Lücke im Relativitätsprinzip entdeckt zu haben. Die schien durch die *Elektrodynamik* gefordert, deren zentrale Gleichungen seit ein paar Jahrzehnten bekannt waren (von Herrn Maxwell aufgestellt). Diese Gleichungen beschreiben unter anderem die Ausbreitung von Licht. Und sie sind *nicht* invariant unter den Galilei-Transformationen. Im wesentlichen besagen sie, dass das Licht sich mit einer konstanten Geschwindigkeit ausbreitet, was solange kein Problem ist, solange diese Ausbreitung in einem Material stattfindet. Denn dann liefert das Material ein ausgezeichnetes Bezugssystem, und die Gleichungen gelten in dem System, wo das Material ruht.

Leider sagen die Maxwell-Gleichungen auch für Licht im *leeren Raum* eine konstante Geschwindigkeit voraus. Das sieht nun wie ein  Widerspruch zum Relativitätsprinzip aus. Denn wenn dieses auch für die Elektrodynamik gälte, dann sollte die Lichtgeschwindigkeit für jeden sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegenden Beobachter dieselbe sein. Das aber ist offensichtlich Humbug, da natürlich das Licht sich von einem Beobachter, der ihm nachläuft, langsamer entfernt als von einem, der stehen bleibt. So dachte man. 

Allerdings schien das zunächst kein echtes Problem. Schließlich konnte man annehmen, dass der Raum eben nicht wirklich leer sei, sondern mit einer neuen Substanz erfüllt, dem Äther. Dieser Äther sollte der Träger der Lichtwellen sein, und da er, wie man annehmen musste, den ganzen Raum erfüllt, würde er ein ausgezeichnetes Bezugssystem definieren, in dem die Gleichungen der Elektrodynamik gelten. Der Raum konnte dann immer noch als "bewegungsindefinit" angenommen werden, aber natürlich wäre es schon sinnvoll, alle Geschwindigkeiten relativ zu der des Äthers zu messen, so dass durch die Hintertür absolute Geschwindigkeiten eingeführt wären.

Das Prinzip ist einfach. Man messe die Lichtgeschwindigkeit in eine beliebige Richtung und in die entgegengesetzte. Sind sie gleich, ruht man gegenüber dem Äther, sind sie verschieden, kann man aus der Differenz auf die eigene Geschwindigkeit in der betrachteten Richtung relativ zum Äther schliessen. Die Messung sollte möglichst im Vakuum stattfinden, da in Materialien wie etwa Wasser das Licht eine durch das Material bestimmte Geschwindigkeit hat und man dann nur seine eigene Geschwindigkeit gegenüber der des Wassers misst. Um es kurz zu machen, mit Wasser funktioniert die Sache, mit Vakuum nicht. Die ersten Experimente dieser Art (Michelson und Morley) hatten ihre Schwächen, doch die sind mittlerweile behoben (die Relativitätstheorie wird seit über 90 Jahren getestet). Das Ergebnis ist klipp und klar: im Vakuum ist die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der (geradlinig gleichförmigen) Bewegung des Beobachters. Also genau der Humbug, den wir eigentlich ausgeschlossen hatten.

Was bedeutet das? Zunächst einmal, dass das Relativitätsprinzip den Todesstoß von seiten der Elektrodynamik auf gloriose Weise überlebt hat: auch mit *elektrodynamischen* Experimenten ist es nicht möglich, eine konstante Geschwindigkeit absolut festzulegen. Da die Gleichungen von Mechanik und Elektrodynamik zusammengenommen dem aber widersprechen, muss in einem der beiden Gebiete etwas falsch sein.


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