5. Das Attentat auf Perry Rhodan    English version


Klaus Kassner


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Die Geschichte habe ich schon einmal erzählt, aber ohne sie mit einem Raum-Zeit-Diagramm zu unterstützen. Das geschieht nun mit dem Bild unten. Das dunkelblaue Koordinatensystem sei das Bezugssystem der Sonne und auch das eines Asteroiden (der schwarze Brocken), der dann natürlich relativ zu ihr ruht. Er sei 10000 Lichtjahre entfernt. Die sinusförmige Linie ist die Projektion der Weltlinie der Erde auf die xct-Ebene. Sie ist nicht maßstabsgerecht gezeichnet, weil man sie sonst auf der Skala von 10000 Lichtjahren, die der Entfernung zum Asteroiden entspricht, nur als geraden Strich sähe, der sich mit der ct-Achse deckt. Allerdings habe ich darauf geachtet, dass die Topologie der Zeichnung trotz der Maßstabsverletzungen korrekt bleibt und auch die Metrik so weit als möglich stimmt.

Raum-Zeit-Diagramm des Attentats auf Rhodan

Die grüne Rakete stellt Perry Rhodans Raumschiff dar, das von der Erde zu einem Zeitpunkt abfliegt, wo sich diese in Richtung auf den Asteroiden zu bewegt (Koordinatenursprung). Das Bezugssystem der Erde ist dann das x'ct'-System. Seine Geschwindigkeit relativ zu dem der Sonne ist die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne, also 30 km/s. Fliegt Rhodans Raumschiff in Nullzeit (oder sehr kurzer Zeit, etwa 1 Tag) bezüglich dieses Bezugssystems zum Asteroiden, so bewegt es sich (praktisch) entlang der x'-Achse. Die Steigung der x'-Achse im xct-System ist v/c, also (30km/s)/(300000km/s) = 1/10000. Da der Asteroid 10000 Lichtjahre entfernt ist, schneidet die x'-Achse seine "Weltlinie" (der gestrichelt begrenzte graue Korridor) bei ct = 1 Lichtjahr, die Erde hat inzwischen die Sonne einmal umkreist (eine Schwingung des Sinus). Im System der Sonne (und des Asteroiden) hat Perry Rhodans Flug also ein Jahr gedauert.

Nun wird Rhodan auf dem Asteroiden überfallen und umgebracht. Es gelingt ihm aber, noch einen Hypernotruf abzusetzen. Der bewegt sich, im System xct (das ja auch das des Asteroiden ist) in (beinahe) Nullzeit zur Erde, kommt dort also ein Jahr nach Rhodans Abflug an. Das Signal habe ich nur deshalb so gezackt gemalt, damit es interessanter aussieht. Seine Weltlinie soll einfach eine Parallele zur x-Achse sein.

Atlan rüstet nun ein Rettungsteam aus. Er lässt sich aber Zeit, denn er weiß, dass der Bewegungszustand der Erde für einen sofortigen Start ungünstig ist. Flöge er nämlich gleich los, bräuchte er ebenso wie Rhodan ein Jahr relativ zum Bezugssystem der Sonne, denn die Erde bewegt sich ja gerade wieder auf den Asteroiden zu (x'ct'-System relevant). Also wartet er ein halbes Jahr. Da geht die Erde vom Asteroiden weg, und ihr Bezugssystem ist das x"ct"-System. In dem fliegt Atlan volle Pulle, seine Weltlinie ist also praktisch die x"-Achse, die eine Steigung von -1/10000 hat. Er kommt also im System der Sonne gemessen ein Jahr *vor* seinem Abflug an. Da das auch das System des Asteroiden ist, erreicht er diesen also ein halbes Jahr vor Rhodans Ankunft, genügend Zeit, um den zu retten.

Wir haben dabei nichts darüber gesagt, *wie* der überlichtschnelle Flug vor sich geht. Ob Hyperraum, Linearraum, Sextadim- oder Sonstwas-Halbspur, ist völlig egal. Entscheidend ist, dass die Anfangs- und Endpunkte der Reise so liegen, dass die mittlere Geschwindigkeit deutlich größer als die Lichtgeschwindigkeit ist (z.B. 10000 Lichtjahre/Tag). Insofern kann man aus der Gültigkeit der speziellen Relativitätstheorie folgern, dass entweder kausale Schleifen möglich sind, das Kausalprinzip also verletzt ist, oder aber solche überlichtschnellen Reisen sind eben unmöglich.

Ich hatte in der Diskussion damals betont, dass dies bereits aus der Gültigkeit der speziellen Relativitätstheorie bei Unterlichtgeschwindigkeit folge. Das ist natürlich eine fahrlässige Formulierung. Man kann gar nicht zwischen den Gültigkeiten in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen trennen. Die Relativitätstheorie ist eine Theorie der Struktur der Raumzeit. Wenn diese Struktur richtig ist, dann kann man die erwähnten Schlussfolgerungen ziehen. Die Richtigkeit der Struktur der Raumzeit hat aber nichts mit den Geschwindigkeiten zu tun, mit denen ein Reisender seinen Aufenthalt an verschiedenen Orten in ihr verbindet, solange er sich nur in ihr befindet (wobei er sich *zwischen* den Aufenthalten befinden kann, wo er will, auch außerhalb der Raumzeit). Die einzige Geschwindigkeit, die explizit in die Berechnungen der Perry-Rhodan-Story eingeht, ist die Geschwindigkeit der Erde auf ihrem Umlauf um die Sonne.

Rene Haustein hat eingewandt, dass die Verletzung der Kausalität in meinem Beispiel durch die Nachricht geschehe, die Rhodan sendet. Diese Nachricht ginge bereits in die Vergangenheit. Nun, man sieht dem Bild an, dass es im Bezugssystem der Sonne und des Asteroiden beileibe nicht so ist. Vergisst man die Zickzackdarstellung der Zeichnung, so ist klar, dass diese Nachricht ohne weiteres "ein bisschen" in die Zukunft gehen kann (bis zu einem halben Jahr), ohne dass sich an den Konsequenzen etwas ändert (wir haben nur der Einfachheit halber Transport in Nullzeit angenommen). Dass Atlan relativ zur Sonne in die Vergangenheit fliegt, ist *unabhängig* von der Nachricht. Ja, man könnte die Nachricht in der Geschichte weglassen und Atlan nur aufgrund der Eingebung fliegen lassen, dass er vor Rhodans Ankunft auf dem Asteroiden noch etwas vorbereiten will. Das Ergebnis wäre das gleiche.

Diese Argumentation ist nur dagegen gerichtet, die Nachricht als das eigentlich akausale Element in der Kette zu sehen. Genausogut kann man Atlans Flug als solches betrachten. Zur Erzeugung einer *kausalen Schleife* sind *vier* Weltlinien nötig: die des Asteroiden zwischen Atlans und Rhodans Ankunft, die der Nachricht, die der Erde zwischen Ankunft der Nachricht und Atlans Abflug und die von Atlan. Und man kann nicht sagen, dass die von Atlan oder die der Nachricht allein für die Schleife verantwortlich sei, weil das Weglassen *jedes* dieser Stücke die Schleife zerstört.

Wenn man *ohne* Nachricht *keine* kausale Schleife hat, dann sollte man annehmen, dass es in diesem Fall eine "harmlose" Interpretation der Ereigniskette gibt. Das ist auch so. Für den Beobachter im grünen Koordinatensystem x'''ct''', der sich etwas schneller nach links bewegt als die Erde bei Atlans Abflug, liest sich die Ereignisfolge einfach so: Rhodan fliegt Richtung Asteroid, aber recht langsam, Atlan (ahnungslos) startet anderthalb Erdumläufe später und fliegt eben viel schneller als Rhodan, weshalb er deutlich früher als dieser ankommt. Für diesen grünen Beobachter wäre natürlich die Existenz von Rhodans Nachricht ein ziemliches Ärgernis, weil es seine ganze Interpretation kaputt macht. Insofern ist die *Möglichkeit* des Sendens einer Nachricht wichtig für die Konstruktion eines Zeitparadoxons, nicht aber für die Frage, ob Atlan in die Vergangenheit fliegt. Das tut er auch ohne Zeitparadoxon im Bezugssystem des Asteroiden.

Der Perry-Rhodan-Kosmos funktioniert natürlich nicht so. Da wird implizit eine universelle Zeit für alle Zivilisationen des Universums angenommen. (Zum Beispiel wird in "Wenn Welten verstummen", Nr. 1941, beschworen, wie schlimm es wäre, wenn Jii'Nevever zwischen zwei Galaxien hin- und herhüpfen könnte, weil damit ein *gleichzeitiger* Angriff auf beide ihre Basisplaneten praktisch unmöglich gemacht würde. Vom Standpunkt der speziellen Relativitätstheorie aus ist das absurd, da die Gleichzeitigkeit beobachterabhängig ist und bei einer Entfernung der Galaxien von Millionen von Lichtjahren für verschiedene Beobachter auch um Millionen Jahre differieren kann.) Allerdings kann man es sich wegen der damit verbundenen Komplexität auch nicht leisten, ihn so funktionieren zu lassen.

Im letzten Abschnitt des Kurses werde ich auf Peter Holzers Einwände eingehen, die tatsächlich eine Möglichkeit aufzeigen, sich doch einen solchen Kosmos vorzustellen, ohne dass die Vorhersagen der speziellen Relativitätstheorie zum *Ausgang von Experimenten* angetastet werden. Allerdings würde diese Möglichkeit bedeuten, dass das Relativitätsprinzip und damit die Aussagen der Relativitätstheorie zur Struktur der Raumzeit falsch sind (und das seltsamerweise bei richtiger Beschreibung der Physik für Unterlichtgeschwindigkeiten).


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